Kategorie VdK-Zeitung Pflege Gesundheit

Demenz betrifft nicht nur alte Menschen

Von: Christine Berg

Für Jung-Erkrankte gibt es in Hamburg das Projekt „Ankerpunkt Junge Demenz“.

Ein Ausflug mit einem Schiff. Fünf Personen genießen den Ausblick vom Oberdeck.
Die Alzheimer Gesellschaft Hamburg berät und begleitet junge Betroffene und deren Angehörige seit 2021 in einem speziellen Demenz-Projekt. Auch gemeinsame Ausflüge werden angeboten. © AGH

Menschen mit Demenz unter 65 Jahren, sogenannte Jung-Erkrankte, trifft die Demenz mitten im Leben. Sie stehen im Beruf, sorgen sich um die Kinder, haben finanzielle Belastungen, wie beispielsweise die Abzahlung eines Hauses, und vieles mehr. In Folge der Erkrankung müssen sie Lebenspläne aufgeben, verändern sich die Rollenverhältnisse in der Partnerschaft, kommt das Selbstverständnis ins Wanken. Gleichzeitig geht die Kontrolle über vieles noch so Selbstverständliche und Vertraute langsam verloren.

Zugleich möchten Menschen mit Demenz weiterhin am Leben teilhaben, in der vertrauten Umgebung bleiben, selbstständig sowie selbstbestimmt leben. Sie wollen ihren Beruf weiterhin ausüben sowie die damit verbundene Selbstwirksamkeit und sozialen Kontakte nicht verlieren.

Sofern eine Partnerschaft besteht, ist die Partnerin oder der Partner in der Regel auch berufstätig und muss nebenbei nun immer mehr die alleinige Verantwortung für die Familiensorge und alle Haushaltsaufgaben übernehmen. Eine Begleitung der erkrankten Person ist aus zeitlichen Gründen kaum möglich. Doch im Verlauf der Demenz-Erkrankung bedürfen Arzt- und Therapietermine, Behördengänge wie auch Hobbys oftmals einer Erinnerung oder Begleitung. Eine Unterstützung von jungen Menschen mit Demenz ist somit in ganz anderer Weise erforderlich als bei älteren Erkrankten, bei denen oftmals beide bereits in Rente sind. 

Psychische Belastung

Schätzungen der Deutschen Alzheimer Gesellschaft zufolge sind circa 100.000 Menschen unter 65 von einer Demenz betroffen. Doch für jüngere Menschen mit Demenz gibt es bisher wenige bis keine Angebote. Auch institutionalisierte Unterstützungs- und Entlastungsmöglichkeiten fehlen. 

Erkrankt ein Familienmitglied an einer Demenz ist immer das gesamte Familiensystem erschüttert. Die psychische Belastung der Partnerin oder des Partners ist häufig aufgrund der Mehrfach-Belastung hoch: eigene Berufstätigkeit, Rollenveränderungen, Verlusterfahrungen, veränderte Lebenspläne und finanzielle Belastungen.

Ein besonderes Augenmerk gilt den Kindern und jungen Erwachsenen, die man als Young Carer bezeichnet. Ein Begriff, der weniger den Pflegeaspekt als das „to care“ im Sinne des sich Sorgens herausstellt. Während sich der Fokus in der Familie verständlicherweise stark auf die erkrankte Person konzentriert, können die jungen Familienangehörigen leicht aus dem Fokus geraten. Was bedeutet es für junge Menschen, wenn ein Elternteil erkrankt? Gerade bei jungen Menschen stellt sich die Frage, ob sich Pflege- und Unterstützungsaufgaben mit den anderen An- und Herausforderungen des Lebens und mit den alterstypischen Entwicklungsaufgaben in ihrer biografischen Situation vereinbaren lassen.

Das Bild zeigt junge Menschen mit Demenzerkrankung beim Lachyoga.
Das Freizeitangebot des Projekts heißt „Hamburg mal Anders“; es schafft gemeinsame Erlebnisse und fördert die Resilienz – wie hier mit Lachyoga. © AGH

Beratung und Begleitung

Um all diese Aspekte zu vereinen und für Menschen mit Demenz und ihre Familien Ansprechpartner sein zu können, entstand in der Alzheimer Gesellschaft Hamburg (AGH) das Projekt „Ankerpunkt Junge Demenz“. Dort werden Menschen mit einer präsenilen Demenz oder Frontotemporale Demenz (FTD) und deren Angehörige seit 2021 beraten und begleitet. Das Projekt wird von der Deutschen Fernsehlotterie bis April 2026 gefördert. 

Bisher sind die Mitarbeiter des Projekts mit über 190 Familien in über 630 Gesprächen von Beginn bis Ende der Erkrankung in Kontakt getreten. Ziel ist dabei immer, individuell auf die Bedarfe der Erkrankten und Angehörigen einzugehen und sie dabei zu unterstützen, zuversichtlich und gestärkt mit der Erkrankung zu leben und umzugehen. Dafür wurden Angebote in der Selbsthilfe geschaffen. Es gibt Schulungen und Aufklärung zu präseniler Demenz und seltenen Demenzformen. Außerdem wurde ein Netzwerk aufgebaut, das belastbar für die Zielgruppe eintreten und sie unterstützen kann.

Im Laufe des Projektes sind unterschiedliche Selbsthilfe-Gruppen für Angehörige und Betroffene entstanden, FTD-Kurse für Angehörige und auch ein Freizeitangebot. In diesen Gruppen werden Betroffene motiviert, wichtige Themen anzusprechen, selbstbestimmt zu leben und das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen. Zudem unterstützt das Projekt Betroffene in ihrem Wunsch, möglichst lange im Beruf zu bleiben. 

Ergänzt wird das Beratungs- und Unterstützungsangebot durch Vorträge, Schulungen, Fachtage, Newsletter, Netzwerk-Treffen und Runde Tische. 

Das Bild zeigt junge Menschen mit Demenzerkrankung beim Malen in einem Garten.
Beim Malen im Garten werden Erinnerungen wachgerufen und können neue Anknüpfungspunkte, aber auch Freundschaften entstehen. © AGH

Weitere Bausteine

„Entstigmatisierung ist uns ein Anliegen und wir versuchen durch Aufklärung bei den Behörden und anderen Trägern neue Möglichkeiten der Teilhabe und Unterstützung der Familien zu schaffen“, erklärt Stefanie Klinowski, eine der beiden Ansprechpartnerinnen für das Projekt. So erhielten Familien in Krisen enge Begleitung, berichtet sie. Zukünftig seien als neue Bausteine im Aufbau: Kurse für Erkrankte und Paare, die Gewinnung von Buddies für Alleinstehende sowie Angebote für Young Carer. 

Info

Zum Projekt „Ankerpunkt Junge Demenz“ der AGH können sich Interessierte weiter informieren und einen ersten Kontakt erhalten unter

- Telefon: (0 40) 88 14 17 70

- E-Mail: Externer Link:Ankerpunkt-junge-demenz@alzheimer-hamburg.de