Familien stark belastet
Der AOK-Kindergesundheitsatlas zeigt die Sicht der Eltern auf die Gesundheit ihrer Kinder

Die Ergebnisse einer repräsentativen Befragung der AOK Rheinland/Hamburg zeigen: Viele Eltern sorgen sich um die Gesundheit ihrer Kinder. Und: Chronische Erkrankungen sind nicht nur für die betroffenen Kinder eine Belastung, auch die Eltern fühlen sich teilweise sehr belastet und mit der Situation überfordert.
AOK-Kindergesundheitsatlas
Grundsätzlich schätzen 56 Prozent der befragten Eltern den Gesundheitszustand ihrer Kinder als sehr gut ein. Jedoch sinkt dieser Wert deutlich, wenn bei den Kindern der Verdacht auf mindestens eine der abgefragten chronischen Erkrankungen besteht oder eine entsprechende Diagnose vorliegt (45 Prozent). Jedes dritte Elternteil, bei dessen Kind eine der abgefragten chronischen Erkrankungen diagnostiziert ist oder vermutet wird, schätzt die Belastung des Kindes (32 Prozent) sowie die eigene Belastung (34 Prozent) durch die Erkrankung des Kindes als sehr stark beziehungsweise eher stark ein.
Fast ein Drittel der betroffenen Eltern (29 Prozent) haben Sorge, nicht ausreichend informiert zu sein oder sind nicht sicher, ob sie ihrem Kind bestmöglich helfen können. 16 Prozent der Eltern treibt die Frage um, ob sie eine Mitschuld an der Erkrankung der Kinder tragen. „Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass wir die Gesundheitskompetenz in den Familien und besonders bei den Eltern stärken müssen“, sagt Sabine Deutscher, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg.
Für den Kindergesundheitsatlas wurden 20 Diagnosen abgefragt, zwei davon werden hier näher betrachtet.
Psyche
Die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ist eine der häufigsten psychischen Störungen im Kinder- und Jugendalter. Typische Symptome sind Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Hyperaktivität, die über einen längeren Zeitraum in unterschiedlichen Lebenssituationen auftreten und den Alltag stark beeinträchtigen. Im Alltag können diese Symptome insbesondere auch im schulischen und sozialen Bereich zu Herausforderungen führen. Bleibt ADHS unbehandelt, steigt das Risiko, auf dem Bildungsweg zu scheitern – auch besteht ein Zusammenhang zwischen ADHS und Suchterkrankungen.
Vier Prozent der drei- bis 17-jährigen Kinder aus dem Rheinland und aus Hamburg haben laut den Aussagen der befragten Eltern eine diagnostizierte ADHS. Bei weiteren sechs Prozent vermuten die befragten Eltern, dass ihr Kind an ADHS erkranken könnte oder bereits erkrankt ist. Die Zahl der vermuteten Erkrankungen liegt hier über der der bestätigten Fälle. Zugleich fällt auf, dass die Belastung der Eltern laut Befragung über der Belastung der Kinder liegt.
Übergewicht
Bei der Betrachtung von starkem Übergewicht/Adipositas wurde für den Kindergesundheitsatlas nicht nur die Einschätzung der Eltern abgefragt, sondern zusätzlich wurden Gewicht, Größe und Alter der Kinder erfasst. Das Vorgehen ermöglicht einen Vergleich der Einschätzung der Eltern mit dem Diagnose relevanten Body-Mass-Index (BMI), der sich aus Gewicht, Größe und Alter der Kinder bestimmen lässt. Die genauere Betrachtung der Fälle macht deutlich, dass die Dunkelziffer noch größer als gedacht sein muss: Von den sieben Prozent der nach BMI adipösen Kinder hat nach Angaben der Eltern nur ein Prozent aktuell eine Adipositas-Diagnose, bei ebenfalls ein Prozent vermuten die Eltern Adipositas. Bei den restlichen fünf Prozent ist nach Angaben der Eltern Adipositas weder diagnostiziert noch vermutet.
Im Vergleich mit anderen Erkrankungen sind bei Adipositas die Sorgen der Eltern um eine mögliche gesellschaftliche Benachteiligung der Kinder (63 Prozent bei Diagnose/45 Prozent bei Verdacht), dauerhafte Beeinträchtigung (83 Prozent/50 Prozent) und Verschlimmerung der Erkrankung (80 Prozent/53 Prozent) besonders stark ausgeprägt. Auffällig ist auch das hohe Maß an Sorgen vor der eigenen Mitschuld an der Erkrankung des Kindes (59 Prozent bei Diagnose/38 Prozent bei Verdacht) und die Überforderung der Elternhäuser im Umgang mit der Situation (44 Prozent/30 Prozent).
„Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass die Sorgen der Eltern um das Wohlergehen ihrer Kinder gerade beim Thema Adipositas sehr groß sind. Oftmals spielt auch Scham eine Rolle“, sagt Dr. Anne Neuhausen, Kinderärztin bei der AOK Rheinland/Hamburg.
Zahlen für Hamburg
In Hamburg wurden 849 Elternhäuser befragt. Dort schätzen 57,8 Prozent der befragten Eltern den Gesundheitszustand ihres Kindes als „sehr gut“ ein. 3,2 Prozent der Eltern gaben an, dass bei ihrem Kind eine ADHS-Diagnose vorliegt; 6,3 Prozent der Eltern vermuten ADHS ohne bisher vorliegende Diagnose. Damit liegt Hamburg bei den ADHS-Diagnosen leicht unter und bei den Vermutungen leicht über dem Durchschnitt der Gesamtbefragung. Bei Adipositas gaben 2,3 Prozent der befragten Eltern an, dass ihr Kind adipös sei, die Erkrankung vermuten 1,1 Prozent der Eltern in Hamburg.
Der AOK-Kindergesundheitsatlas beruht auf einer repräsentativen Befragung von 5000 Eltern in Rheinland und Hamburg.