Gehaltslücke zu Männern bleibt bestehen
Wie arbeiten und leben Frauen und Männer in Hamburg? Welchen Bildungsabschluss haben Frauen? Wie viel Geld verdienen Frauen? In welchem Umfang leisten sie Sorge- und Pflegearbeit? Diesen und weiteren Fragen geht der dritte Hamburger Gleichstellungsmonitor nach und liefert neue Daten und Fakten zur Lebenssituation von Frauen in Hamburg.
Dafür hat die Behörde für Wissenschaft, Forschung Gleichstellung und Bezirke in Zusammenarbeit mit dem Statistikamt Nord mehr als 75 Indikatoren ermittelt, aktualisiert und digital aufbereitet. Alle Daten des neuen Gleichstellungsmonitors sind online.
Der weiterentwickelte Gleichstellungsmonitor zeigt: Auch wenn mittlerweile mehr Frauen in Hamburg Leitungsfunktionen begleiten und Frauen und Männer sich die Sorgearbeit gleichberechtigter aufteilen, haben sich traditionelle Rollenbilder bezogen auf Ausbildungsberufe und die Berufswahl kaum verändert. Frauen in Hamburg wie auch bundesweit erhalten geringere Löhne und Renten, sie sind stärker von Einkommensverlusten und Altersarmut betroffen als Männer.
„Die Chancengleichheit von Frauen ist und bleibt eine zentrale Herausforderung für eine zukunftsfähige Gesellschaft“, betont Katharina Fegebank, Gleichstellungssenatorin. „Der dritte Gleichstellungsmonitor zeigt, dass wir in den vergangenen zehn Jahren große Fortschritte in der Gleichstellungspolitik erzielen konnten: Der Anteil an Frauen in Führungspositionen und in Aufsichtsgremien von öffentlichen Unternehmen ist angestiegen, auch an der Sorgearbeit bei der Kinderbetreuung, bei der Pflege von Angehörigen und der Aufgabenbewältigung im Haushalt beteiligen sich immer mehr Männer.“
„Mit dem Dritten Gleichstellungspolitischen Rahmenprogramm haben wir in diesem Jahr neue Maßnahmen angepackt“, erklärt die zuständige Senatorin. „Denn es gibt noch viel zu tun: Frauen verdienen in Hamburg unverändert 21 Prozent weniger als Männer und erledigen gleichzeitig den Löwenanteil an unbezahlter Familienarbeit.“ Dadurch seien sie deutlich stärker von Altersarmut betroffen als Männer. „Das können wir nicht hinnehmen. Ob in der Ausbildung, im Beruf oder in der Freizeit wie beim Sport etwa – in allen Bereichen bestehen Benachteiligungen von Frauen“, ergänzt Fegebank. „Denen müssen wir wirkungsvoll entgegentreten.“ Der Gleichstellungsmonitor könne dabei helfen, passende Maßnahmen zu entwickeln, damit Frauen gleiche Chancen hätten und gleichberechtigt seien.
Datenlücken
Erstmals wurde die Erstellung des Gleichstellungsmonitors wissenschaftlich von der Universität Hamburg begleitet. Eine zentrale Erkenntnis der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hamburg ist: Noch immer bestehen viele Datenlücken, da in Erhebungen die Frage des Geschlechts oft keine Rolle spielt.
„In der wissenschaftlichen Begleitung haben wir versucht, den Hamburger Gleichstellungsmonitor an den Erkenntnissen der Geschlechterforschung und einem Kriterienkatalog der Vereinten Nationen zu orientieren“, erklärt die Professorin für Volkswirtschaft, insbesondere Arbeitsmarkt, Migration und Gender an der Universität Hamburg, Miriam Beblo. „Auch wenn es uns gelungen ist, die Lebensrealitäten von Hamburgerinnen und Hamburgern so nun noch umfassender zu dokumentieren, verbleiben weiterhin blinde Flecken.“ Und zwar dort, wo geschlechterspezifische Daten nicht verfügbar (Gender Data Gap) und intersektionale Analysen mit weiteren Strukturmerkmalen, zum Beispiel Herkunft und Religion, schon gar nicht möglich wären. „Wir sollten uns deshalb alle darüber im Klaren sein, dass die Sammlung von Daten und Auswahl von Indikatoren bereits gleichstellungsrelevante Prozesse darstellen, die unsere Wahrnehmung der Welt prägen können“, so Beblo.
Der Gleichstellungsmonitor liefert unter anderem folgende Ergebnisse:
Ausbildung: In den medizinischen Ausbildungsberufen liegt der Frauenanteil mit 70 Prozent weiterhin überdurchschnittlich hoch, bei MINT-Ausbildungsberufen (MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) hat sich der Anteil an Frauen geringfügig auf 13 Prozent erhöht, im Handwerk schließen immer weniger Frauen ihre Ausbildung ab.
Studium: Der Anteil an Studentinnen wächst stetig an: Zuletzt lag der Frauenanteil an den Hamburger Hochschulen bei 53 Prozent. Der Schwerpunkt der Studienfachwahl liegt bei Frauen sowohl bei den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (57 Prozent) als auch bei der Humanmedizin beziehungsweise Gesundheitswissenschaften (zwölf Prozent). Männer sind in der Promotion knapp in der Überzahl, die Anzahl der Habilitationen von Frauen liegt mit 37 Prozent deutlich unter den männlichen Kollegen. Die Anzahl der Frauen, die eine Professur an einer Hamburger Hochschule innehatten, ist in den vergangenen zehn Jahren von 25 auf 30 Prozent angestiegen.
Berufe: Die Mehrheit der Frauen war in den meist niedriger vergüteten Sektoren Gesundheits- und Sozialwesen tätig, zudem arbeiten sie oft in der Unternehmensorganisation und im kulturellen Bereich. Frauen mit Migrationserfahrung sind auf dem Arbeitsmarkt besonders benachteiligt. Sie sind überdurchschnittlich in Reinigungsberufen, Handelsberufen und in der Lebensmittel- sowie im Gastgewerbeberufe tätig, ihr Berufsfeld beschränkt sich auf deutlich weniger Branchen, für Frauen aus Asylherkunftsländern gilt dies noch einmal stärker.
Führungskräfte: Der Anteil an Frauen in Geschäftsleitungen in öffentlichen Unternehmen ist in den vergangenen Jahren um knapp zehn auf insgesamt 22 Prozent angestiegen. Auch der Frauenanteil in Aufsichtsgremien hat über die Jahre zugenommen und liegt aktuell bei 41 Prozent. Frauen begleiten Führungspositionen überdurchschnittlich in den Wirtschaftszweigen Öffentliche Dienstleistungen, aber auch im Gesundheits- und Sozialwesen. In den Branchen personenbezogene und sonstige Dienstleister und im Einzelhandel sind etwa ein Drittel der Führungskräfte Frauen. Auch branchenbedingt verdienen Frauen in Führungspositionen 27 Prozent weniger als Männer.
Gründungen: Frauen gründen in Hamburg weniger in prestigeträchtigen und wachstumsstarken Branchen, oft in den Bereichen Erziehung und Unterricht oder Gesundheit und Sozialwesen.
Verdienst: Frauen in Hamburg verdienen im Vergleich zu Männern 21 Prozent weniger (unbereinigter Gender Pay Gap). Neben einem Rückgang an Beschäftigungen in Vollzeit, stieg der Anteil an Frauen, die in Teilzeit arbeiten, um vier Prozent an. Frauen arbeiten deutlich häufiger in Teilzeit (31 Prozent mehr als Männer). Die Gefahr von Altersarmut droht in Hamburg jeder fünften Frau über 65 Jahre, das entspricht dem Bundesdurchschnitt.
Sorgearbeit: Der überwiegende Teil der bezahlten und unbezahlten Sorgearbeit wird nach wie vor von Frauen geleistet. Der Frauenanteil bei Alleinerziehenden in Hamburg lag im Jahr 2021 bei 84 Prozent. Frauen sind also deutlich häufiger mit der Herausforderung Beruf, Familie und freie Zeit alleine zu vereinbaren konfrontiert als Männer. Der Anteil der Kinder zwischen 0 und 3 Jahren, die in einer Kindertageseinrichtung betreut werden, ist in den vergangenen zehn Jahren um zehn Prozent auf insgesamt 50 Prozent angestiegen, gleiches gilt für die Ganztagesbetreuung von Kindern bis zu 14 Jahren. Während Männer täglich mehr Zeit für Erwerbsarbeit aufwenden als Frauen, verwenden Frauen in Paarbeziehungen deutlich mehr Zeit (zwischen vier und fünf Stunden am Tag) auf Kinderbetreuung, Pflege und Hausarbeit. Mütter sind entsprechend seltener erwerbstätig. Auch im bezahlten Care-Sektor zeigen sich enorme Geschlechterunterschiede: Der Frauenanteil an Beschäftigten in der Kinderbetreuung sowie der Alten- und Krankenpflege liegt weit über dem der Männer.
Mobilität: Deutlich mehr Männer als Frauen sind Halter eines Pkwkurz fürPersonenkraftwagen. Der Arbeitsplatz von Frauen liegt häufiger in der Nähe des Wohnortes, Männer legen vergleichsweise längere Strecken zum Arbeitsplatz zurück.
Sportvereine: Mädchen und Frauen sind mit nur rund einem Drittel Mitglieder in Sportvereinen und somit nach wie vor unterrepräsentiert, die Corona-Pandemie hat dies noch einmal verfestigt. 74 Prozent der haupt- und ehrenamtlichen Funktionen wurden 2022 von Männern ausgeführt.