Kategorie VdK-Zeitung Urteil Tipp Schwerbehinderung

Präventionsverfahren gilt auch für Wartezeit

Von: syk

Wer mit einer Schwerbehinderung eingestellt wird, darf im ersten halben Jahr nicht ohne Weiteres gekündigt werden. Das hat das Arbeitsgericht Köln entschieden (Az. 18 Ca 3954/23). Denn vor einer etwaigen Kündigung muss der Arbeitgeber in der sogenannten Wartezeit das gesetzlich vorgeschriebene Präventionsverfahren durchführen. Das bedeutet, dass mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Integrationsamt herausgefunden werden muss, ob eine Weiterbeschäftigung mit Präventionsmaßnahmen doch noch gelingen könnte.

Drei Arbeiter, davon einer im Rollstuhl, arbeiten an Maschinen.
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Im konkreten Fall hat ein Kläger recht bekommen, der seit Januar 2023 mit einem Grad der Behinderung (GdBkurz fürGrad der Behinderung) von 80 am kommunalen Bauhof tätig. Er erkrankte im Mai 2023. Zum 31. Juli 2023 wurde ihm gekündigt, also noch innerhalb seiner Wartezeit.

EU-Recht

Die Kündigung sei diskriminierend und daher unwirksam gewesen, urteilten die Kölner Arbeitsrichter im Dezember 2023. Denn entgegen bisheriger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) sei der Arbeitsgeber nach EU-Recht verpflichtet, auch während der Wartezeit ein Präventionsverfahren durchzuführen. Die Trägerin des Bauhofs, die Kommune, hätte vor der Kündigung prüfen müssen, weshalb sich der Kläger nicht bewährt und ins Team nicht einfügt habe.

Hintergrund der Entscheidung ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 10. Februar 2022 (Az. C-485/20), wonach Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters „wirksame und praktikable“ Maßnahmen ergreifen müssen, um das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Eine Maßnahme könne sein, den Arbeitsplatz behindertengerecht zu gestalten oder den Schwerbehinderten an anderer Stelle einzusetzen.