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Rückengesund von Geburt an

Eltern können ihr Baby so tragen, dass die eigene und die Wirbelsäule des Kindes weniger leidet – Wie, erklärt die AGR

Eine Frau mit Baby in einer Hüftsitztrage.
Babys sind Traglinge. Eine Hüftsitztrage kann den Rücken der Eltern bei kurzen Tragezeiten unterstützen. © Aktion Gesunder Rücken

Endlich das Baby in den Armen halten – ein unbeschreibliches Gefühl. Doch schon bald spüren viele Eltern die körperliche Belastung: Das ständige Heben und Tragen beansprucht Muskeln und Gelenke. Verspannungen im Rücken-, Schulter- und Nackenbereich lassen sich allerdings mit der richtigen Tragehilfe vermeiden. Der promovierte Gesundheits- und Bewegungswissenschaftler und Experte der Aktion Gesunder Rücken (AGR), Dieter Breithecker, erklärt, wie ergonomisches Tragen auch die gesunde Entwicklung des Kindes fördert.

Eltern haben alle Hände voll zu tun: Wäsche waschen, Staubsaugen, Kochen – und das alles mit dem Nachwuchs auf dem Arm. Die Belastung kann schnell zu Verspannungen führen. Auch wenn das Kind anfangs nur wenige Kilos wiegt, belastet das Tragen auf dem Arm den Rücken. Die Wirbelsäule gerät aus der geraden, aufrechten Position und krümmt sich zur Seite oder nach vorn. Ergonomische Tragehilfen sind praktische Transportmittel, die nicht nur den Rücken der Tragenden schonen, sondern auch die Entwicklung des Kindes fördern.

Richtig tragen

„Babys sind Traglinge“, sagt Dieter Breithecker. „Sie haben ein natürliches Bedürfnis nach ständigem Körperkontakt und Geborgenheit. Richtig getragen unterstützt das nicht nur die Bindung zwischen Eltern und Kind.“ Die Haltung des Kindes sei auch für eine gesunde Entwicklung von Hüfte und Wirbelsäule entscheidend. „Die sogenannte Anhock-Spreiz-Stellung sorgt für eine physiologisch korrekte Ausrichtung der Hüftgelenke und vermeidet das Risiko für eine Hüftdysplasie“, erklärt der Rückenexperte. Der Hüftkopf werde so optimal in die Hüftpfanne gedrückt und könne gut nachreifen. Die Wirbelsäule des Babys richte sich im Laufe der Entwicklung immer weiter zur doppelten S-Form auf und bilde eine Einheit mit dem Becken. Die Bandscheiben würden optimal mit Nährstoffen versorgt, die Beuge- und Streckmuskulatur könne sich gleichmäßig entwickeln. 

Breithecker ergänzt: „Regelmäßige Haltungswechsel sind schon für die Kleinsten wichtig. Babys erleben die Welt über Bewegung und Körperkontakt. Unterschiedliche Tragepositionen fördern ihre sensomotorische Entwicklung, indem sie Gleichgewichtssinn und Körperbewusstsein schulen.“ Babys und Kleinkinder sollten nicht zu lange in einer festen Position verharren, um einseitige Belastungen zu vermeiden.

Tragehilfen

Die Auswahl an Tragesystemen ist groß – je nach Alter, Gewicht und individuellen Bedürfnissen gibt es passende Lösungen. Neben der Positionierung des Kindes sollten Eltern auch auf den eigenen Tragekomfort achten, damit der Rücken nicht leidet, empfiehlt die AGR.

Flexible Tragetücher bieten engen Körperkontakt, der vor allem für Neugeborene wichtig ist. Bis ins Kleinkindalter ermöglichen verschiedene Bindetechniken unterschiedliche Positionierungen und verteilen das Gewicht gleichmäßig auf die Schultern der Tragenden. 

Ab einem Gewicht von 3,2 Kilogramm können ergonomische Babytragen den Alltag erleichtern. Mit vorgeformten Strukturen wie gepolsterten Beinbereichen und einer verstellbaren Kopf- und Nackenstütze bieten sie dem Kind bei längeren Tragezeiten Sicherheit und Komfort. Unterschiedliche Passformen und individuell einstellbare, breite Gurte reduzieren den Druck auf den Schulterbereich der Eltern und entlasten den Rücken. 

„Die Tragehilfe muss sich an den Komfort des Nutzers anpassen und nicht umgekehrt“, betont der AGR-Experte. „Ist die Trage nicht richtig eingestellt oder schlecht konstruiert, kommt es schnell zu kompensierenden Fehlhaltungen, die sich über Monate hinweg im Bewegungsmuster festsetzen und chronische Beschwerden verursachen können.“ Babytragen sind vor allem für längere Tragezeiten geeignet. 

Bei besonders aktiven Kindern, die nur für kurze Zeit getragen werden möchten, gibt es flexiblere Lösungen.

Ab einem Alter von etwa sechs Monaten wollen Kinder krabbelnd – später laufend – die Welt entdecken, suchen aber zwischendurch die Geborgenheit auf dem Arm der vertrauten Bezugspersonen. So kommt es schnell vor, dass Eltern ihre Kleinen im Minutentakt aufheben und wieder absetzen. Das kurze „auf die Hüfte nehmen“ führt zu Ausgleichshaltungen – Verspannungen sind vorprogrammiert. 

„Wenn Eltern ihr Kind häufig auf der Hüfte tragen, nehmen sie oft unbewusst eine ausgleichende Körperschieflage ein. Das führt auf Dauer zu muskulären Dysbalancen, die Rückenbeschwerden begünstigen“, sagt Breithecker. Ein ergonomischer Hüftsitz für kurze Tragezeiten schone den Rücken der Eltern: Mit einem breiten, gepolsterten Gurt um die Hüfte geschnallt, verteile der feste Sitz das Gewicht des Kindes gleichmäßig und fördere eine gerade Haltung der Wirbelsäule.

Beratung

Wer eine geeignete Baby- oder Hüftsitztrage sucht, kann sich bei der AGR informieren. Der Verein berät seit 30 Jahren Verbraucherinnen und Verbraucher zum Thema Rückengesundheit und zeichnet als Entscheidungshilfe rückenfreundliche Produkte mit dem AGR-Gütesiegel aus. Die unabhängige Prüfkommission besteht aus medizinischen Gesundheitsexperten verschiedener Fachgebiete. 

Weitere Informationen und AGR-zertifizierte Hüftsitztragen unter Externer Link:agr-ev.de/hueftsitztragen

Tipps in Kürze

- Regelmäßig die Haltung für das Baby wechseln

- Tragehilfe an Nutzer individuell anpassen

- breite, gepolsterte Gurte auswählen, die den Druck auf den Schultern verteilen

- darauf achten, dass die Tragehilfe korrekt eingestellt ist