Kategorie VdK-Zeitung

Schnelle Hilfe für Opfer von Psychoterror

Von: scb

Rund 20.464 Menschen wurden 2021 in Deutschland als Opfer von Stalking registriert. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs, die Dunkelziffer liegt deutlich höher. Experten gehen von 200.000 bis 300.000 Fällen aus – pro Jahr.

Eine Frau tippt auf ihrem Smartphone mit dem Finger auf die No Stalk App.
Mit der No Stalk App lassen sich alle Stalking-Vorfälle chronologisch sichern. © Weisser-Ring-Stiftung

Grundsätzlich kann Stalking jeden treffen, allerdings sind 80 Prozent der Täter Männer und 80 Prozent der Opfer Frauen. In drei Vierteln der Fälle kennen sich Täter und Opfer. Die größte Gruppe der Stalker sind ehemalige Lebenspartner, oft aber auch Freunde, Kollegen, Familienmitglieder oder Bekannte. Nur selten sind die Stalker den Betroffenen völlig unbekannt.

Stalking beginnt häufig recht harmlos: Anrufe, Textnachrichten, Blumen vor der Haustür, Briefe. Mit der Zeit können sich diese „Aufmerksamkeiten“ und Kontaktversuche jedoch immer weiter steigern. Der Stalker steht plötzlich vor der Haustür, wartet vor der Arbeitsstelle oder am Auto der Opfer, ruft dutzende Male an oder schickt Unmengen von Textnachrichten. Stalking wird dann schnell zum Psychoterror. Seltener artet Stalking in Gewalt aus.

Mit der selbstentwickelten App „No Stalk“ stellt der Weisse Ring, Deutschlands größte Opferhilfs­organisation, Betroffenen seit rund einem Jahr ein effektives, digitales Hilfsmittel zur Verfügung. Jörg Ziercke, Bundesvorsitzender des Weissen Rings, erklärte die Notwendigkeit einer solchen App damals so: „Stalking ist psychische Gewalt und eine schwerwiegende Straftat. Die Opfer leiden teils jahrelang unter den Folgen der permanenten Nachstellung und Belästigung. Sie werden verfolgt, belästigt und bedroht – und das meist über einen unerträglich langen Zeitraum.“ Für den Weissen Ring habe sich Stalking in der Vergangenheit zu einem immer wichtigeren Thema in der Beratung von Kriminalitätsopfern entwickelt.

Beweise sichern

Das Problem für Opfer: Häufig werden sie nicht ernst genommen. Auch ist es sehr schwer, Stalking zu beweisen. Hier setzt die No Stalk App an. Denn Stalking-Opfer können mit Hilfe ihres Smartphones Fotos, Videos, Messenger-Nachrichten und Sprachaufnahmen von Stalking-Vorfällen erstellen. Diese direkte Dokumentation dient der Beweissammlung und Dokumentation. Werden die Daten in die App geladen, werden sie gleichzeitig verschlüsselt und bei bestehender Internetverbindung auf einen externen Server in einem deutschen Rechenzentrum hinterlegt. Im Moment der Übermittlung löscht die App die Daten auf dem Smartphone. Auf dem externen Server sind sie sicher und geschützt vor unbefugtem Zugriff.

Wenn die Betroffenen sich entschließen, Hilfe bei der Polizei zu suchen, können diese Dateien den Behörden als Beweise für ein mögliches Strafverfahren gegen Stalker zur Verfügung gestellt werden. Entschlüsseln lassen sich die Dateien dabei aber nur durch den Benutzer mittels eines persön­lichen Codes, der bei der Installation generiert wird.

Bislang sei die App schon über 10.000 Mal aus den App-Stores heruntergeladen worden, so Brigitta Brüning-Bibo vom Weissen Ring. Dabei ist die Installation allerdings aufgrund der hohen Sicherheitsanforderungen komplizierter als bei anderen Apps. Denn bei der Entwicklung wurde viel Wert auf die Datensicherheit und den Schutz der gesammelten Beweise gelegt. Auch die Verwertbarkeit der Daten vor Gericht musste sichergestellt werden. Falls einzelne Nutzer Schwierigkeiten beim Einrichten der No Stalk App haben, hilft der Weisse Ring weiter.

Anzeige erstatten

Brüning-Bibo weist darauf hin, dass die App den Betroffenen jedoch nicht nur als Hilfe bei der Beweissammlung diene, sondern auch zur eigenen Reflektion: „Was tut der Stalker mir an? Was macht das mit meinem Leben? Vielen wird das erst klar, wenn sie anhand der tagebuchartigen Einträge in der App sehen, wie häufig die Nachstellungen wirklich sind.“ Inzwischen haben auch die ersten Stalking-Opfer bei der Polizei Anzeige erstattet – mit Hilfe der No Stalk App.

Die polizeiliche Beratung empfiehlt Stalking-Betroffenen die Situation in jedem Fall ernst zu nehmen und sich an die Polizei zu wenden, auch wenn man selbst unsicher ist, ob es sich um Stalking handelt. Denn nur bei einer Anzeige hat die Polizei die Möglichkeit, etwas zum Schutz der Opfer zu tun. In vielen Fällen habe sich dabei gezeigt, dass ein schnelles Einschreiten der Polizei Wirkung bei Stalkern zeige und die Belästigungen nach einer Anzeige aufhörten.

Zudem wird empfohlen, deutlich zu zeigen, dass jegliche Annäherung des Stalkers unerwünscht ist; dies sollte auch konsequent durchgehalten werden. Betroffene sollten sich auch nicht auf Diskussionen einlassen oder ein „letztes klärendes Gespräch“ führen. Zudem sollten Familie, Freunde, Kollegen oder Nachbarn über die Situation informiert werden, denn Öffentlichkeit könne schützen.

Wichtig

Alle Informationen zur No Stalk App und Kontaktdaten von Hamburger Hilfsorganisationen finden Betroffene im Internet unter Externer Link:www.nostalk.de und Externer Link:polizei.hamburg/stalking