Urteil – Akutbehandlung muss erstmal ausreichen
Gesetzlich Versicherte mit einer psychischen Erkrankung können sich ihre Behandlung nicht aussuchen.

Auch wenn sie von der Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) keinen Vorschlag für eine ambulante Langzeit-Verhaltenstherapie bekommen, müssen sie sich mit einer Akutbehandlung zufriedengeben. Beginnen sie eine Therapie auf eigene Rechnung, werden die Kosten nicht erstattet. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil (Az. L 11 KR 269/24) vom 11. August entschieden.
Im konkreten Fall ging es um eine Jugendliche, die an einer Essstörung und Depression erkrankt war. Ihr Hausarzt riet dringend zu einer ambulanten Verhaltenstherapie. Eine hinzugezogene Psychotherapeutin empfahl eine ambulante Behandlung, konnte selbst aber keinen Therapieplatz anbieten. Die Suche bei sechs weiteren niedergelassenen Psychotherapeuten mit Zulassung blieb erfolglos.
Die Jugendliche begann deshalb eine Psychotherapie bei einer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin ohne Zulassung und bat die Kasse um Kostenübernahme. Diese lehnte unter dem Hinweis ab, dass die Versicherte einen Termin für eine Therapie bei der TSS bekommen konnte. Allerdings hatte die TSS nur eine Akutbehandlung vermittelt, was die Jugendliche abgelehnt hatte. Das Argument der Klägerin: Sie benötige eine Langzeittherapie, um die sie sich ausreichend bemüht habe. Es gäbe aktuell keinen solchen Therapieplatz in Wohnortnähe. Somit läge ein Systemversagen vor. Die Kasse müsse die begonnene Behandlung übernehmen, insgesamt 10 905 Euro.
Die Richter in Essen sahen kein Systemversagen vorliegen. Es gäbe genügend Therapeuten, urteilten sie, somit bestehe keine Versorgungslücke. Im konkreten Fall gab es im Umkreis von 25 Kilometern 44 zugelassene Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten. Übliche Wartezeiten wären zumutbar, erklärten die Richter. Vor allem hätte die Jugendliche keine Psychotherapie bei einer Therapeutin ohne Kassenzulassung beginnen dürfen, sondern einen Vermittlungsvorschlag der TSS abwarten müssen. Die vorgeschlagene Akutbehandlung hätte die Wartezeit bis zur Langzeitbehandlung überbrückt.