Bewegung ist Nahrung fürs Gehirn
Schulkinder sitzen zu viel und zu lange still – Eltern können gezielt gegensteuern
Auch zum Anfang dieses Schuljahres hieß es wieder für viele ABC-Schützen und ältere Schülerinnen und Schüler: die Schulbank drücken. Hatten sich die meisten von ihnen im Kindergarten oder in den Ferien noch viel bewegt, verbringen sie seitdem täglich viele Stunden sitzend am Schreibtisch.
„Bewegungsmangel ist ungesund für die körperliche und geistige Entwicklung. Wenn Kinder auf dem Stuhl umherrutschen oder kippeln ist das notwendig und sinnvoll, auch in der Schule“, sagt Dr. Dieter Breithecker, Gesundheits- und Bewegungswissenschaftler sowie medizinischer Experte der Aktion Gesunder Rücken (AGR).
Studienergebnisse
In keinem Alter nehmen Kinder so deutlich zu wie zu Beginn ihrer Schullaufbahn. Das hat ein Forscherteam um den Sportmediziner Perikles Simon an der Universität Mainz herausgefunden. Der Grund dafür könnte unter anderem darin liegen, dass sich die Zeit, die sie sitzend verbringen, auf 10,5 Stunden an Schultagen und 7,5 Stunden am Wochenende erhöht, so der AGR-Experte.
„Unser Alltag ist vom Sitzen geprägt“, erklärt Breithecker, vor allem für jüngere Kinder sei das eine große Umstellung. „Wir behindern die Kinder in ihrem natürlichen Bedürfnis, sich zu bewegen, ihren Körper und ihr Gehirn zu aktivieren und damit letztlich auch besser zu lernen. Bewegung ist ein Grundbedürfnis, wie Essen, Trinken und Schlafen“, so der Bewegungswissenschaftler. „Studien zeigen, dass die Bewegung Nervenzellen im Gehirn dabei unterstützt, sich zu verbinden. Man kann also sagen: Bewegung ist Nahrung fürs Gehirn.“
Der Mangel an Bewegung, aber auch die starre Haltung könnten nicht nur die geistige Entwicklung behindern, sondern auch den Rücken belasten: Jedes vierte Schulkind leide regelmäßig an Rückenschmerzen. Gerade in den ersten Lebensjahren, in denen sich der Organismus von Kindern noch im Aufbau befinde, benötige er eine regelmäßige Beanspruchung: „Nur wenn Muskeln, Sehnen und Knochen bewegt werden, entsteht der notwendige biologische Entwicklungsreiz“, sagt der Bewegungsexperte.
„Klettern, Rennen und Springen – all das ist wichtig, um die Funktion und Leistungsfähigkeit des Körpers zu gewährleisten und ihn zum Wachsen anzuregen.“ Der intervallartige Wechsel zwischen körperlicher Anstrengung und Pause kurbelt den Stoffwechsel und das Herz-Kreislauf-System an, die Muskulatur erhält Wachstumsreize und die Knochenstruktur festigt sich.
Lümmeln erlaubt
Wenn Sitzen unvermeidbar sei, dann sollten Kinder und Jugendliche nicht in einer starren Haltung am Schreibtisch verharren. „Beim rückenfreundlichen Sitzen ist Lümmeln erlaubt: mal nach vorne lehnen, mal auf dem Tisch abstützen, mal weit zurücklehnen, die Arme strecken oder auch mal kippeln“, sagt AGR-Experte Breithecker.
Um die Rückengesundheit zu fördern, sollten Sitz- und Schreibmöbel ergonomisch, verstellbar und dem Bewegungsbedürfnis der Kinder entsprechend sein. Höhenverstellbare Tische und Stühle könnten mit dem Kind „mitwachsen“ und so über viele Jahre genutzt werden, erklärt die AGR, die rückenfreundliche Produkte mit dem AGR-Gütesiegel auszeichnet.
Für ein „lebendiges, bewegtes Sitzen“ sollten die Sitzmöbel natürliche und intuitive Haltungswechsel unterstützen. Eine flexible oder mehrdimensional bewegliche Sitzfläche sorgt für zusätzliche Bewegungsimpulse. „Wenn ein Kind auf seinem Stuhl hin und her rutscht, immer mal wieder aufsteht, wird das von Erwachsenen oft als hyperaktiv fehlgedeutet – dabei ist es meist ein gesunder und spontaner Bewegungsdrang, der ausgelebt werden muss und den man unterstützen sollte“, sagt AGR-Experte Breithecker. Die Kinder und Jugendlichen handelten damit intuitiv und nach ihren Bedürfnissen.
Auf einen Baum klettern, kopfüber an den Beinen von einer Kletterstange baumeln oder von einer Mauer springen – selbst wenn es schwerfällt: Eltern sollten die kindliche Lust an Bewegung aktiv unterstützen, dabei auch mal beide Augen zudrücken und nicht zu übervorsichtig sein. „Auch die Erfahrung mit Wagnis und Risiko, sei es beim Klettern auf dem Schulhof oder beim Freizeitsport, fördert wichtige Kernkompetenzen für das Leben, wie Risikobereitschaft und Risikobewertung“, so Breithecker.
Wenn die Erwachsenen die Aktivität dann noch vorleben und spannende Angebote für eine bewegte Freizeit bieten, würden die Kinder ihrem Vorbild gerne folgen. Eine Radtour zu einem Baggersee, ein Kletterkurs oder eine gemeinsame Yogastunde – alles sei gut, was Spaß macht und in Aktion bringt.
Mehr Infos zu rückenfreundlichen Möbeln auf
Tipps
Bringen Sie Ihr Kind bzw. Ihre Kinder zu Fuß oder mit dem Roller in die Schule. In einer Laufgemeinschaft mit Nachbarkindern macht der Schulweg noch mehr Spaß und fördert soziale Kompetenzen sowie Verantwortung.
Vereinssport, Unternehmungen mit Freunden, Spielen im Freien – in der schulfreien Zeit sollten sich die Kinder so viel wie möglich bewegen.